Das moio.care System besteht aus einem sehr dünnen, flachen, flexiblen und weichem Sensormodul, dass mit Hilfe einer Pflastertasche am Rücken von Pflegebedürftigen angebracht werden kann. Durch seine spezielle Bauform wird es vom Träger kaum wahrgenommen und nicht als Fremdkörper identifiziert. Da man es weder sieht noch spürt, fehlt der Anreiz es zu entfernen. Durch die Position am Rücken kann es unauffällig unter der Kleidung getragen werden und liefert im Vergleich zu Messungen an den Extremitäten eine sehr gute Datenqualität.
Die integrierte Sensorik erkennt verschiedene betreuerisch-pflegerische Handlungsbedarfe. Erst im konkreten Handlungsfall baut es eine Mobilfunkverbindung auf und informiert Pflegende über eine App auf deren Smartphones oder Tablets. So erkennt das moio beispielsweise Stürze oder wenn sturzgefährdete Personen nach längerer Liegephase versuchen aufzustehen. Es erkennt beim Schlafen die Eigenbewegungen der Person und gibt Bescheid, wenn sich der Gepflegte drei bis vier Stunden nicht ausreichend bewegt hat. Es initiiert eine Umlagerung zur Präventation des Wundliegens. Durch die Geofencing – die Eingrenzung eines vorgegebenen Aufenthaltsbereichs per GPS – und Ortungsfunktionen im Innen- und Außenbereich, können Zonen eingerichtet werden, die einen größeren Bewegungsfreiraum gewährleisten. Im Bedarfsfall kann über die Ortung die Person schnell gefunden und nach Hause begleitet werden.
Durch einen integrierten Mobilfunkchip setzt das moio.care System auf eine vollständig mobile Lösung, so dass keine zusätzlichen Voraussetzungen in der Infrastruktur wie DSL-Anschlüsse oder W-LAN Spots geschaffen werden müssen. Dadurch erschließen sich zwei Zielgruppen – die häusliche und die stationäre Pflege. Am Beispiel des moio.care Systems sollen einige Potenziale der Digitalisierung in beiden Versorgungssettings beleuchtet werden.
Häusliche Pflege
Mit Hilfe des moio.care Systems wird die Information über den Zustand des Gepflegten „entörtlicht“. Das soll heißen, die Hauptpflegeperson muss nicht mehr permanent in direkter Anwesenheit oder Sichtweite sein. Desorientierte Pflegebedürftige können unbeobachtet in ihrem gewohnten Umfeld ihrem Bewegungsdrang nachgehen. Über das Geofencing hat man dennoch Kontrolle über den Aufenthaltsbereich und über die Ortungsfunktion findet man die Person problemlos wieder. Das System sorgt einerseits für mehr wechselseitige Freiheiten in der dyadischen Pflegebeziehung und bietet anderseits das Potenzial zu neuen Formen der Arbeitsteilung. Mehrere Personen werden zeitgleich oder selektiv über den Zustand informiert, Aufgaben lassen sich einfacher auf mehreren Schultern verteilen. Neue Versorgungsnetzwerke können entstehen, die einzelnen mehr Freiraum für individuelle Bedürfnisse geben. Im Idealfall wird dadurch die Belastung reduziert und die ambulante Pflegephase verlängert.
Stationäre Pflege
Das moio.care System informiert das Pflegepersonal, wenn konkrete pflegerische Handlungen nötig sind. Im Gegenzug kann man im Falle der nicht-Information davon ausgehen, dass bestimmte Ereignisse nicht eingetreten sind. Zeitraubende Routinetätigkeiten wie beispielsweise das Umlagern des gesamten Wohnbereichs nach festen Intervallen oder regelmäßige Kontrollgänge, um gestürzte Bewohner zu finden, können unterbleiben. Das Geofencing im Innenbereich verringert die psychische Belastung, entlaufende Bewohner zeitnah zu bemerken.
Durch den Wechsel von routinebasierter zu bedarfsbezogener Pflege steigt die Pflegequalität, da die pflegerische Unterstützung in genau dem Moment gegeben wird, in dem sie notwendig wird. Gleichzeitig verringert sich die Arbeitsbelastung, da unnötige Tätigkeiten unterbleiben können. Die dadurch freiwerdende Zeit kann für mehr menschliche Zuwendung genutzt werden – eine der Hauptforderungen professioneller Pflegekräfte.
Besondere Synergien lassen sich heben, wenn Sensorinformation direkt in die Pflegedokumentation und -planung eingespielt werden können. Um beim Beispiel der Prävention des Wundliegens zu bleiben: Es ließe sich durch die objektive Messung belegen, dass ein Bewohner nie länger als vier Stunden ohne ausreichende Bewegung im Bett gelegen hat. Es spielt dabei keine Rolle ob es sich um Eigenbewegungen oder externe Umlagerungen gehandelt hat. Der manuelle Dokumentationsaufwand wird auf ein Minimum reduziert.
Das Potenzial, durch Digitalisierung zu Effizienzsteigerungen zu kommen, ist mit Blick auf andere Wirtschaftszweige kaum zu bestreiten. Es ist aber zu beachten, dass Pflege vor allem eine zwischenmenschliche Tätigkeit ist, bei der es auf den sogenonnenten „warmen Kontakt“ ankommt. Daher sind Analogien bspw. aus der Industrie nur mit Vorsicht zu ziehen.
Es sollte nicht das Ziel sein, die menschliche Arbeitskraft durch digitale Technik zu ersetzen oder sie nur zu einem „schneller“ anzutreiben. Vielmehr muss aus unserer Sicht durch Digitalisierung die zwischenmenschliche Interaktion vereinfacht und gestärkt und hinderliche Prozesse und Arbeiten minimiert werden. Nicht zuletzt können moderne Abläufe und Arbeitsbedingungen einen wichtigen Beitrag leisten, Pflege als Berufsfeld vor allem für jüngere Menschen attraktiver zu machen.
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